Im November durfte ich an einem FamTrip nach Ibiza teilnehmen. Die viertägige Reise wurde vom Ibiza Convention Bureau organisiert und endete mit dem Ibiza Mice Summit 2024 im Ibiza Convention Center. Eingeladen waren lokale Hoteliers, Anbieter von Eventlocations, DMCs und andere Serviceprovider sowie Vertreter aus der Politik. Dabei musste ich feststellen, dass leider gerade letztere keine Verantwortung für das aktuell größte Problem der balearischen Inseln übernimmt. Im Gegenteil.
In der Mittagspause ging ich in die Stadt und streifte durch die kleinen Läden. In einem Geschäft mit Kleidung, Schmuck und Accessoires – alles im zu Ibiza passenden Hippie-Stil – hatte ich ein aufwühlendes Gespräch mit der Inhaberin. Die etwa 55 jährige Dame erzählte mir, dass sie mit ihren beiden Kindern (21 und 40) in einer Mietwohnung lebt, da der Bezug einer eigenen Wohnung für ihre Kinder finanziell nicht tragbar ist – trotz der Lehrstelle ihres älteren Sohnes an der Universität. Viele der dort angestellten und sogar einige Studenten kämen auch tagtäglich aus Mallorca angeflogen, weil es am Ende günstiger sei, als auf Ibiza zur Miete zu wohnen.
Zudem hätte ihre Vermieterin dieses Jahr die Miete um 400€ angehoben, was weder legal noch moralisch vertretbar ist – aber was solle sie dagegen machen? Eine Anzeige hätte mit Sicherheit die Kündigung ihres Mietvertrags zur Folge.
Überhaupt wäre sie eine der wenigen, noch auf Ibiza verbleibenden Freundinnen aus ihrem Kreis, die meisten wären aufgrund der Preisentwicklung weggezogen oder wohnten inzwischen dauerhaft in einem Wohnwagen. Sie schloss mit den Worten, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis auch sie von ihrer Heimatinsel wegziehen müsse, weil sie sich den Wohnraum zur Miete nicht mehr leisten könne.
Diese Thematik sprang mir schon bei meiner Anreise des FamTrips entgegen, als ich Gelegenheit hatte mit dem Empfangspersonal für die Abholung vom Flughafen zu sprechen. Ein junges Mädchen – vielleicht 24 Jahre alt – erzählte mir von einer vergangenen Wohnungsbesichtigung eines ungefähr 30qm großen Apartments, für das der Vermieter eine Monatsmiete von über 3.100€ verlangt habe.
Diese beiden Begegnungen gewinnen noch an Brisanz, wenn man ein durchschnittliches, spanisches Monatseinkommen von 1.100-1.200€ in die Rechnung mit aufnimmt.
Bei den Begrüßungsworten zum Ibiza Mice Summit 2024 der Bürgermeisterin Carmen Ferrer der Stadt Santa Eulària des Riu ging es auch um die für touristische Zwecke zur Verfügung stehenden Übernachtungsplätze der Insel. Sie sagte, dass auf Ibiza derzeit zusammengenommen 96.408 verfügbare Hotelbetten existieren. Und weitere Luxushotels wären in der Planung oder bereits im Bau. Dem nicht bezahlbaren Wohnraum der lokalen Bevölkerung stehen also 96.408 Hotelbetten gegenüber, die aufgrund der Hotelschließungen Ende Oktober die gesamte Off-Season über leer und ungenutzt bleiben. Und natürlich mit dem Hotelgrundstück und neuen Hotelbauten die verfügbare Fläche für zu schaffenden Wohnraum weiter dezimieren.
An dieser Stelle habe ich mich gefragt, welchen Anteil wir als DMCs, Eventagenturen und Reiseveranstalter an dieser Situation haben, wenn wir unsere Kunden nach Ibiza bringen und welche Verantwortung daraus resultiert, die meiner Meinung nach zu übernehmen ist. Mit nachweislich wirksamen Maßnahmen, die dem touristischen Raubbau entgegensteuern.
Ohne groß darüber nachzudenken fallen mir drei Möglichkeiten ein:
1. Eine zusätzliche Übernachtungssteuer, mit der Wohnungsbau für Residenten finanziert wird. Bei Zimmerpreisen zwischen 200€ und 2000€ pro Nacht sollte eine zusätzliche Abgabe in der Höhe der bereits existierenden, balearischen Ecotasa von 4€ pro Person und Übernachtung nicht weiter ins Gewicht fallen.
2. Die Schaffung einer Zertifizierung für Hotelbetriebe, die ihre Mitarbeiter überdurchschnittlich bezahlen und aufgrund dessen von uns leicht identifizierbar sind und bevorzugt gebucht werden könnten.
3. Die Möglichkeit, in der Off-Season bezahlbar Hotelzimmer für Residenten zur Bewohnung zu stellen. Das wäre natürlich nur eine Teillösung – aber immerhin.
Aber: es gibt anscheinend keine ernsthaften Vorhaben oder Projekte in dieser Richtung, um der Situation entgegenzuwirken. Mit Verlaub: während also die örtliche Regierung und die Hoteliers weiterhin die Insel ausverkaufen und sich damit die sowieso schon überbordenden Taschen vollmachen, wird die Not der lokalen Bevölkerung im Glanz des nächsten 5* Tempels ausgeblendet. Wirklich? Wie wenig Rückgrat den eigenen Wählern gegenüber kann man eigentlich haben?
Und wie ist das mit der Nachhaltigkeit? All das Gerede von Umwelt- und Ressourcenschutz durch Austausch von Plastikflaschen gegen Mehrwegbehälter steht im direkten Widerspruch zu Einheimischen, die einen Flug nehmen müssen, um zuhause arbeiten oder studieren zu können. Nachhaltigkeit endet nicht beim Ersatz für oder Vermeidung von Plastikflaschen, auch wenn das natürlich ein wichtiger Schritt für Tier und Umwelt ist, das steht außer Frage. Videomaterial von Plastikmüllteppichen auf den Ozeanen und verendeten Tieren durch verschluckte Plastikteile kursieren seit Jahrzehnten (!) durch Fernsehen und Internet. Aber soziale Aspekte dürfen dabei nicht unter den Tisch fallen und brauchen dringend unsere Aufmerksamkeit. Denn was wäre die schönste Destination ohne ihr Herzstück – die Einheimischen – die sie zu dem machen, was sie ist?
Mehr dazu:
https://www.mallorcazeitung.es/immobilien/2025/01/26/balearen-regierung-stellt-dieses-jahr-113719041.html
https://www.mallorcazeitung.es/immobilien/2025/03/15/bauland-in-palma-freigegeben-115318828.html
https://www.stern.de/reise/europa/mietwahnsinn-auf-ibiza–wohnraum-auf-den-balearen-wird-immer-teurer-8806182.html
Quellen der Zahlen: Rathaus Santa Eulària des Riu